Financial and Actuarial Mathematics, TU Wien, Austria TU Wien FAM
 
2006-04-12  Der Standard

Forschung Spezial, Seite 13, 12.4.2006

Einmaleins des Risikos

Verluste durch zu risikoreiches Spekulieren entstehen schnell, wie aktuelle Vorfälle rund um die Bawag und Hypo Alpe-Adria zeigen. Für Finanzmathematiker ist dieses Verlustrisiko tägliches Business. Sie tüfteln über kniffligen Fragestellungen und Formeln, um etwa Zins- und Währungsrisiken für Banken und Anleger messbar zu machen.

Die Forschungsgruppe Finanz- und Versicherungsmathematik der Technischen Universität Wien (TU) hat in Kooperation mit der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) das Christian-Doppler-Labor "Portfolio Risk Management" - kurz Prisma Lab - gegründet.

Der Fokus der dort tüftelnden Wissenschafter liegt im Erforschen und Managen von Finanzrisiken unterschiedlicher Art - von Kreditrisiken über Preissprünge bei Wertpapieren bis zu operationellen Risiken. Fragen nach dem Zusammenhang der zeitlichen Entwicklungen von Zinsstrukturkurven für verschiedene Währungen, Aktienkurse in- und ausländischer Unternehmen, Kreditrisiken für verschiedene Schuldner sowie Wechselkurse stehen im Mittelpunkt der Forschungsaktivität.

Fragen, auf die Antworten gesucht werden, lauten so:

  • Wie kann die zeitliche Entwicklung der Zinsstrukturkurve in konsistenter Weise modelliert und an die Daten angepasst werden?
  • Welche Auswirkungen hat dies für die Preise von Zinsderivaten und die zugehörigen Absicherungsstrategien?
  • Wie können Wertpapierkurse mit Preissprüngen modelliert werden, wie berechnen sich damit die entsprechenden Preise von Derivaten und die zugehörigen Absicherungsstrategien?

Praxisnahe Forschung

Die Lösung solcher Fragen liegt oft in komplizierten Formeln. Diese helfen Banken, Finanzprodukte einzustufen und zu bewerten. Von diesem kontrollierten Risiko profitiert auch der Anleger.

Neben einer Grundlagenforschung zum Thema Risikomanagement gibt es im Prisma Lab auch eine angewandte Forschung. Ergebnisse will die BA-CA in ihr Finanz- und Risikomanagement einfließen lassen. "Unser Risikomanagement wird laufend von Physikern und Finanzmathematikern aktualisiert, weil der Markt immer wieder neue Produktkonstruktionen anbietet, die wir laufend absichern", erklärt Gerhard Deschkan, Leiter der Abteilung für Operationales Risiko und Modellentwicklung der BA-CA, im Gespräch mit dem STANDARD sein Interesse an dieser Zusammenarbeit. Insbesondere die Messung des operationellen Risikos und die Modellierung ihres Kreditportefeuilles will die Bank weiter optimieren.

Uwe Schmock, Professor am Institut für Wirtschaftsmathematik der TU Wien und Leiter der Forschungsgruppe erwartet sich, "dass die finanzmathematische Grundlagenforschung - fokussiert auf die aktuellen praktischen Probleme des Risikomanagements - vorangetrieben wird". Nach Forschungsschwerpunkten gegliedert wird im Prisma Lab an acht Modulen gearbeitet.

Gestartet wurde die Symbiose zwischen finanzmathematisch-wissenschaftlichem Know-how der TU Wien und der BA-CA am 1. Jänner 2006. Die Kooperation soll vorerst zwei Jahre laufen.

Das Jahresbudget des Prisma Labs beträgt 2006 knapp 400.000 Euro und soll im kommenden Jahr auf rund 480.000 Euro aufgestockt werden. Die Hälfte dieses Budgets investiert die BA-CA, den Rest trägt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft.

Risiko und Ertrag

Auch beim Linzer Kompetenzzentrum Mathconsult stehen Aufgabenstellungen aus dem Bereich Engineering und Finanzwesen im Mittelpunkt der Forschung. Die Bewertung und die Risikoanalyse von Derivaten und strukturierten Produkten steht dabei im Vordergrund. Die vom Institut entwickelte Software "Unrisk Pricing Engine" wird bereits in 20 heimischen Instituten verwendet - darunter die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) und sechs Hypo-Banken.

Mithilfe von Risikomanagementsystemen könne ein individuelles Verhältnis von Risiko und Ertrag hergestellt werden, erklärt Mathconsult-Geschäftsführer Andreas Binder. Damit könnten erzielte Erträge abgesichert werden. Binder: "Diese Systeme ermöglichen die Beurteilung von Finanzprodukten und können eine Vorausschau auf deren Entwicklung darstellen. Wir können zum Beispiel das Ausfallrisiko einer Unternehmensanleihe berechnet, also die Wahrscheinlichkeit mit der das Unternehmen Pleite gehen könnte", gibt Binder einen Einblick.

Auch außerhalb Österreichs komme die Software bereits zum Einsatz: "Die Standardversion kann auf spezielle Wünsche der Kunden hin erweitert werden", erklärt Binder. Durch die Wartungsverträge mit den Kunden könnte oft erkannt werden, welche Tools in der Praxis gebraucht würden. Binder: "Auf diese Anforderungen reagieren wir dann." Aufträge gibt es aber auch oft direkt aus der Praxis. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 12.4.2006)

Das Sicherheitsnetz der Banken (Der Standard, 12.4.2006)

Christian Doppler Laboratory for Portfolio Risk Management (PRisMa Lab)
Research Unit of Financial and Actuarial Mathematics
MathConsult GmbH
UnRisk